„Plastiksteuer" in Deutschland – das Einwegkunststofffondsgesetz

„Plastiksteuer" in Deutschland – das Einwegkunststofffondsgesetz

Deutschland hat nachgezogen. Nachdem Länder wie Spanien und Großbritannien eine Plastiksteuer bereits eingeführt haben, hat der deutsche Gesetzgeber mit dem Einwegkunststofffondsgesetz vom 11. Mai 2023, kurz EWKFondsG (BGBl. I 2023, Nr. 124, vom 15. Mai 2023) ebenfalls eine „Plastiksteuer“ verabschiedet. Das EWKFondsG wurde zum 1. Januar 2024 eingeführt, wonach die Abgabe im Jahr 2025 erstmals zu entrichten ist. Wenngleich somit noch etwa ein Jahr bis zum ersten Abgabebescheid verbleibt, ist es für betroffene Unternehmen empfehlenswert, sich mit der neuen Abgabe auf Einwegkunststoffprodukte (EWK-Produkte) schon jetzt auseinanderzusetzen, um die erforderlichen Vorbereitungen rechtzeitig abzuschließen. Das erste Quartal für 2024 diente zur Klärung, inwieweit sie der vom Umweltbundesamt (UBA) verwalteten Abgabe unterliegen, um gegebenenfalls die Voraussetzungen für die Erfüllung der künftigen Meldepflichten zu schaffen. Hierfür haben Unternehmer seit dem 1. Januar 2024 die Möglichkeit, Self-Checks durchführen und kostenpflichtige Einordnungsanträge beim UBA zu erstellen (siehe unten unter 2). Zuletzt ist die Möglichkeit zur Registrierung in bestimmten Fällen hinzugekommen.
 

1. Unionsrechtlicher Hintergrund

Die EU-Kommission entwickelte mit dem „EU Green Deal“ vom 11. Dezember 2019 ein Maßnahmenpaket, um Wirtschaft und Gesellschaft bis 2050 klimaneutral und nachhaltig umzugestalten. Das sämtliche Politikbereiche umfassende Paket beinhaltet neben den prominentesten Komponenten, wie der Verminderung der Treibhaus-Emissionen oder der Dekarbonisierung des Energiesektors, auch die Förderung der Kreislaufwirtschaft. Letzteres bedeutet einerseits, Anreize für klimaneutrale und kreislauforientierte schadstofffreie Produkte zu schaffen, und andererseits, für umweltbelastende Einwegprodukte Attraktivitätseinbußen bedeutende Kompensationsmaßnahmen vorzusehen. Wegen der begrifflichen Nähe ist es in diesem Kontext wichtig, zwischen EWKFondsG, der sogenannten EU-Plastiksteuer sowie der sogenannten PPWR zu differenzieren: Im Verhältnis zwischen der EU und den Mitgliedstaaten wurde die sogenannte „EU-Plastiksteuer“ (EU-Ratsbeschluss 2020/2053 vom 14. Dezember 2020) eingeführt.
Die künftige Umlage der EU-Plastiksteuer ist seit Bekanntwerden der Pläne der derzeitigen Bundesregierung zur Finanzierung des Haushalts ab 2025 wieder mehr in den Fokus gerückt. Mit der Richtlinie 2019/904 vom 5. Juni 2019 (kurz: EWKRL) schuf die EU den Rahmen zur Umsetzung von Maßnahmen zur Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt im Sinne der sogenannten „erweiterten Herstellerverantwortung“ (englisch „Extended Producer Responsibility“ (EPR)) durch die Mitgliedstaaten. Deutschland setzt diese Richtlinie mit dem EWKFondsG um. Mit der PPWR („Packaging and Packaging Waste Regulation“, Verordnung des EU-Parlaments und des EU-Rates 2022/0396 (COD) vom 15. März 2024) ist bereits eine signifikante Modifikation verpackungs- und abfallrechtlicher Vorgaben (u. a. der EWKRL) auf EU-Ebene für die Zukunft beschlossen und bedarf nur noch der EU-weiten Zustimmung durch die Parlamente.

 

2. EWKFondsG – Ziel, Anwendungsbereich, Meldepflichten, Feststellungen zur Einordnung, Abgabensätze, Sanktionen

Ziel des EWKFondsG ist es, die Auswirkungen bestimmter EWK-Produkte auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu vermeiden und zu vermindern sowie innovative und nachhaltige Geschäftsmodelle, Produkte und Werkstoffe zu fördern (§ 1 EWKFondsG). Um dies zu erreichen, wird auf das Marktverhalten der Verpflichteten regelnd eingewirkt. Dazu fließt die Sonderabgabe in einen zu bildenden Fonds, aus dem den öffentlichen Entsorgungsträgern (auch Anspruchsberechtigte) künftig Kosten erstattet werden, die ihnen im Zusammenhang mit der Beseitigung und Verringerung bestimmter EWK-Produkte entstehen (§§ 15 ff. EWKFondsG). Die Erstattung umfasst Sammlungs-, Reinigungs-, Sensibilisierungs-, Datenerhebungs- und Übermittlungs- sowie (dem UBA entstehende) Verwaltungskosten.  

Dem Anwendungsbereich des EWKFondsG unterliegt in sachlicher Hinsicht das erstmalige am deutschen Markt Bereitstellen bestimmter EWK-Produkte. Dies sind Produkte, die ganz oder teilweise aus Kunststoff, also künstlich erzeugten Polymeren (gemäß Art. 3 Nr. 5 REACH-Verordnung), bestehen. Zum Zweck der Bestimmung, welche Polymere im jeweiligen Verpackungsmaterial enthalten sind, hat das UBA am 19. Dezember 2023 den sogenannten „Anhang Werkstoffliste“ in Formularform zur Verfügung gestellt. Die Anlage 1 zum EWKFondsG nennt die betroffenen EWK-Produktarten im Einzelnen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf EWK-Produkten im Lebensmittelbereich, z. B. Boxen mit und ohne Deckel für Lebensmittel, Folienverpackungen mit Lebensmitteln oder Getränkebehälter bis drei Liter oder Getränkebecher. Leichte Kunststofftragetaschen sowie bestimmte Feuchttücher, Luftballons, Filter für Tabakprodukte und – ab 2026 – auch Feuerwerkskörper komplettieren die Aufzählung.


Der persönliche Anwendungsbereich ist durch den Begriff des „Herstellers“ definiert. Über den eigentlichen Wortlaut hinaus sind neben den Produzenten sämtliche Marktteilnehmer (natürliche Personen, juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften) erfasst, die die betroffenen EWK-Produkte gewerbsmäßig auf dem deutschen Markt erstmals entgeltlich oder unentgeltlich bereitstellen oder verkaufen. Erfasst sind mithin auch Befüller, Verkäufer und Importeure und zwar sowohl in Deutschland niedergelassene als auch nicht niedergelassene Marktteilnehmer. „Hersteller“ in diesem Sinne haben sich im Laufe des Jahres 2024 im Register beim UBA einzutragen, was über die IT-Plattform DIVID erfolgen soll. Self-Checks und Einordnungsanträge, inzwischen auch bestimmte Registrierungen können bereits gestellt bzw. vorgenommen werden (siehe w. u.). Die Plattform soll schrittweise im Verlauf des Jahres 2024 ihre volle Funktionsfähigkeit erlangen.
Hinsichtlich des Registrierungszeitpunkts wird danach unterschieden, wann der jeweilige „Hersteller“ seine Tätigkeit aufgenommen hat. „Hersteller“, die bereits vor dem 1. Januar 2024 tätig waren, haben sich bis zum 31. Dezember 2024 zu registrieren. Für „Hersteller“, die ihre Tätigkeit aufnehmen, nachdem die Plattform DIVID für Registrierungen zur Verfügung steht, gilt uneingeschränkt die gesetzliche Vorgabe, sich vorab zu registrieren. Schließlich gilt für „Hersteller“, die nach dem 1. Januar 2024 ihre aufgenommen haben, grundsätzlich auch die genannte gesetzliche Vorgabe der Vorabregistrierung. Allerdings bleibt eine Nichtregistrierung folgenlos, solange die Plattform DIVID noch nicht zur Verfügung steht und eine Registrierung daher nicht möglich ist. Infolge der inzwischen erfolgten Freischaltung der Registrierungsmöglichkeit auf der Plattform DIVID bedeutet dies, dass „Hersteller“, die ihre EWKFondsG-befangene Tätigkeit vor dem letzten Wochenende im März 2024 aufgenommen haben, zwar gegen die gesetzliche Vorgabe der Vorabregistrierung verstoßen, hierfür jedoch nicht sanktioniert werden. Erfolgt die Tätigkeitsaufnahme im April 2024, haben sich betroffenen Unternehmen vorab zu registrieren, um sich nicht der ansonsten bestehenden Gefahr einer Sanktionierung (siehe w. u.) auszusetzen.
Zu beachten ist zudem, dass jedwede Registrierung, die nach Tätigkeitsaufnahme vorgenommen wird, nicht bedeutet, dass die Abgabenpflicht ebenso erst ab der Registrierung greift. Auch nachträglich registrierte Hersteller haben Meldungen über das gesamte Jahr 2024 bzw. den gesamten Zeitraum ihrer EWKFondsG-befangenen Tätigkeit abzugeben und sind verpflichtet, die hieraus resultierenden Abgaben zu entrichten.
Im Übrigen wird sich die geforderte Registrierung der Anspruchsberechtigten ebenfalls verzögern. Es wird jedoch sichergestellt, dass genügend Zeit für die notwendige Registrierung bleibt, bevor die erste Leistungsmeldung (frühesten) ab dem 1. April 2025 abgegeben werden kann. Zudem sind Betreiber von elektronischen Marktplätzen und bestimmte Fulfillment-Dienstleister betroffen, über oder durch die das erstmalige Bereitstellen von EWK-Produkten auf dem deutschen Markt erfolgt.


Die Meldung der „Hersteller“ hat jährlich bis zum 15. Mai an das UBA zu erfolgen. Inhalt der Meldung ist die vom jeweiligen „Hersteller“ im vorangegangenen Kalenderjahr erstmals in Deutschland in Verkehr gebrachte Masse an EWK-Produkten (§ 11 EWKFondsG). Bevor ein „Hersteller“ melden darf, ist eine Prüfung und Bestätigung durch einen registrierten Sachverständigen (i. S. v. § 3 Abs.15 VerpackG) oder eines nach § 27 Abs. 2 VerpackG registrierten Wirtschaftsprüfers, Steuerberaters oder vereidigten Buchprüfers erforderlich. Eine Ausnahme von der Prüfpflicht gilt für „Hersteller“, die im Vorjahr weniger als 100 kg der betroffenen Produkte oder ausschließlich Pfandflaschen erstmals am deutschen Markt bereitgestellt haben.

Die Meldung hat erstmals für 2024 zu erfolgen. Auf Basis der nach Art und Masse der EWK-Produkte gegliederten Meldung erfolgt die Festsetzung der Abgabe per Bescheid. Dabei wird auf die deklarierte Masse des jeweiligen EWK-Produkts ein spezifischer Abgabesatz angewendet. Die Abgabensätze werden im Verordnungswege bekannt gegeben (siehe w. u.), regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst. Gegen den Bescheid über die Abgabe können nötigenfalls Rechtsmittel eingelegt werden, die jedoch keine aufschiebende Wirkung haben. Die Fälligkeit der Abgabe, ein Monat nach Bescheid Zugang, wird also nicht ausgesetzt.  

Anspruchsberechtigte im Sinne des EWKFondsG sind öffentliche Entsorgungsträger (z. B. Städte und Gemeinde) sowie sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts, die ihre Sammlungs- oder Reinigungsmaßnamen und andere erstattungsfähigen Leistungen an das UBA melden können. Die eingezahlten Mittel werden anteilig an die Anspruchsberechtigten ausgeschüttet. Die Verarbeitung der erforderlichen Datenmeldungen beginnt am 1. Januar 2025 und erfolgt wie die Registrierung über die DIVID-Plattform.

Die Einwegkunststoff-Plattform „DIVID“ wurde durch das UBA inzwischen freigeschaltet. Die Plattform kann über folgenden Link aufgerufen werden: DIVID - Einwegkunststofffonds-Plattform. DIVID ermöglicht es dem UBA, alle Registrierungen und Zahlungen von rund 56.000 Abgabenpflichtigen digital zu verarbeiten und jährlich an rund 6.400 Anspruchsberechtigten Kostenerstattungen zu leisten. Die Plattform ist das zentrale Instrument für die fondsbezogene Kommunikation zwischen externen Nutzern und dem UBA sowie den damit verbundenen internen Managementprozessen.
Aktuell können mögliche betroffene Akteure neben bestimmten Registrierungen (--> Link „Login & Registrierung“) auch „Self-Checks“ durchführen und Einordnungsanträge stellen, um vom UBA prüfen zu lassen, ob Sie „Hersteller“ i. S. d. EWKFondsG sind oder ihre Produkte abgabenpflichtig sind und ggf. welcher der EWK-Produktarten diese zuzuordnen sind. Im Gegensatz zu den unverbindlichen Self-Checks wird bei Einordnungsanträgen eine rechtsgültige Einordnung vom UBA vorgenommen.  
Inländische „Hersteller“ können sich seit dem 1. April 2024 registrieren. Unternehmen benötigen für die Anmeldung auf DIVID ein ELSTER-Unternehmenskonto. Die DIVID-Plattform ist zur ELSTER-Plattform der Finanzbehörden verlinkt, auf der das für die Authentifizierung erforderliche Unternehmenskonto erstellt werden kann. Der Zeitpunkt, ab welchem Registrierungen von „Herstellern“ ohne Niederlassung in Deutschland möglich sein werden, ist noch nicht bekannt. Zurzeit ist es jedoch bereits möglich, für „Hersteller“ ohne Niederlassung in Deutschland oder für deren Bevollmächtigte Accounts zu erstellen.
Darüber hinaus wird das UBA mit Hilfe der Plattform die Verwaltung und Abwicklung der zu zahlenden Abgaben von den Unternehmen in den Einwegkunststofffonds koordinieren. Schließlich werden über die Plattform die Ausschüttungen der Mittel an die Städte oder Gemeinden veranlasst.


Gebühren werden für Einordnungsanträge gem. § 22 Abs. 1 EWKFondsG zur „Hersteller“-Eigenschaft und / oder zur Frage, ob Produkte als EWK-Produkte gelten, erhoben. Registrierungen und Self-Checks sind demgegenüber gebührenfrei. Bei den Gebühren handelt es sich um Zeitgebühren (§ 3 BMUVGebV i. V. m. Abschnitt 15 des Gebühren- und Anlagenverzeichnisses (= Anlage zu § 2 Abs. 1 BMUVGebV) i. V. m. Anlage 1 der AGebV). Des Weiteren werden Gebühren (ebenfalls Zeitgebühren) erhoben, wenn bestimmte Stadien im Verwaltungsverfahren erreicht werden (z. B. im Falle von erfolglosen Widersprüchen gegen die Registrierungsbestätigung, die Festsetzung der EWK-Abgabe oder grundsätzlich die Rücknahme von Widersprüchen, bevor eine Widerspruchbescheid erlassen ist).

Die Abgabensätze wurden am 28. September 2023 vom Deutschen Bundestag beschlossen und in Form der Verordnung zum 11. Oktober 2023 (EWKFondsV) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl. I 2023, Nr. 274). Somit sind künftig je Kilogramm in Verkehr gebrachter EWK-Produkte folgende Abgaben einschlägig:

 

1. Lebensmittelbehälter            € 0,177
2. Tüten und Folienverpackungen € 0,876
3. Nicht bepfandete Getränkebehälter € 0,181
4. Bepfandete Getränkebehälter € 0,001
5. Getränkebecher € 1,236
6. Leichte Kunststofftragetaschen € 3,801
7. Feuchttücher € 0,061
8. Luftballons € 4,340
9. Tabakprodukte mit Filtern und Filter für Tabakprodukte € 8,972

Aus den o. g. Abgabesätzen und der jeweils p. a. am deutschen Markt bereit gestellten Menge ergibt sich die konkrete Belastung für die betroffenen „Hersteller“.

Sanktionen sind in Abhängigkeit von der Art des Verstoßes für „Hersteller“ sowie Betreiber elektronischer Marktplätze und Fullfilment-Dienstleister vorgesehen (§ 26 EWKFondsG). So ist das UBA bei mangelnder oder unzureichender Jahresmeldung schätzungsbefugt. Bei mehr als drei Tagen Verzug bezüglich der Entrichtung der fälligen Abgabe entsteht oberhalb einer Geringfügigkeitsschwelle ein einprozentiger Säumniszuschlag. Vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße gegen Registrierungs- oder Meldepflichten bedeuten Ordnungswidrigkeiten, die mit bis zu €100.000 belegt sind.

 

3. Praxishinweis

Marktteilnehmer, die betroffen sind oder zumindest nicht ausschließen können, betroffen zu sein, sollten sich umgehend mit dem EWKFondsG befassen.

Zu klären ist zunächst, ob die Marktteilnehmer mit ihren Produkten dem Grunde nach in den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich des EWKFondsG fallen. In Lieferketten ist damit beispielsweise die Frage verbunden, wer (noch) Vorprodukte herstellt oder handelt und wer schließlich die der Abgabepflicht unterliegende erstmalige Bereitstellung am deutschen Markt von EWK-Produkten vollzieht. Erforderlichenfalls sind eine Registrierung im Register des UBA (prophylaktisch) anzustoßen und Einordnungsfragen im Antragswege vorab zu klären.

Gleichzeitig sollten auch die internen Strukturen sowie Prozesse (IT, CMS) überprüft und angepasst werden, um sicherzustellen, den Anforderungen des EWKFondsG auf Dauer gerecht zu werden.


Dr. Mario Wagner, Steuerberater, Partner, Indirect Tax, m.wagner@bdo.de, +49 40 30293 – 394 oder +49 171 5386140 // „Deutsche Plastiksteuer", EWKFondsG